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Brisant, weil giftig und extrem langlebig
PFAS-Untersuchungen der LUFA für acht Bundesländer
„Das ist ein brisantes Thema“, sagt der stellvertretende wissenschaftliche Direktor der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Speyer, Dr. Dieter Martens, der sich seit rund 15 Jahren mit PFAS, einer Gruppe von industriell hergestellten Kohlenstofffluorverbindungen, beschäftigt. Sie verteilten sich weltweit über Luft und Wasser und seien extrem stabil, „was so nicht in der Natur vorkommt“; es gebe keine Bakterien, die sie abbauen könnten. Man verwende sie wegen ihrer positiven Eigenschaften. Sie seien wasser-, fett- und schmutzabweisend und nicht anhaftend, das heiße, man finde sie überall: von der Teflonpfanne über Fast Food-Verpackungen bis hin zur Outdoorkleidung. Früher seien sie häufig in Feuerlöschschäumen auf Flughäfen vorgekommen, was das Trinkwasser belastete. Wasserwerke würden Aktivkohle dagegen einsetzen, um Abhilfe zu schaffen. Die Bundesregierung will diese „Ewigkeits-Chemikalie“ generell verbieten und den Einsatz von Ersatzstoffen erzwingen, die weniger schädlich für Mensch und Natur sind.
Seit rund 15 Jahren koche, so Martens, das Thema hoch, da immer mehr Studien belegen würden, dass PFAS giftiger als angenommen seien. Demzufolge wurde der Grenzwert immer weiter abgesenkt. Der Chemiker, der Abteilungsleiter für Umweltanalytik und Produktqualität ist, untersucht seit 2008 an der LUFA vor allem Futtermittel, aber auch Wasser, Klärschlamm, Böden und einige Lebensmittel auf PFAS und verfügt auf diesem Gebiet inzwischen über reichlich viel Know-how. Nachdem der Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA) schon vor Jahren eine normierte Methode entwickelt hat, war Martens gefordert, immer feinere Messmethoden zu entwickeln. Das heißt, die Bestimmungsgrenze musste um den Faktor 50 – von fünf Mikrogramm pro Kilogramm Futtermittel auf 0,1 Mikrogramm pro Kilogramm – gesenkt werden. Eine enorme Herausforderung für Martens, die er aber meistern konnte. Denn im Herbst vergangenen Jahres wurde die Methode der LUFA, die eine hohe Empfindlichkeit garantiert, akkreditiert und inzwischen bei Futtermittel-Proben aus verschiedenen Bundesländern angewandt: Da nur sehr wenige Labore PFAS mit genügender Empfindlichkeit nachweisen können, lassen neben Rheinland-Pfalz und dem Saarland nun auch Hessen, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg Futtermittel bei der LUFA untersuchen.
Abb: Beschäftigt sich seit 15 Jahren mit PFAS-Untersuchungen:
Dr. Dieter Martens im Labor der LUFA Speyer (Foto: Bezirksverband Pfalz)
Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen
LUFA beteiligt sich an grenzüberschreitendem Projekt
Die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Speyer ist an dem grenzüberschreitenden Projekt „KLIMACrops“ beteiligt, das sich mit der Anpassung der Landwirtschaft am Oberrhein an den Klimawandel, die Energiewende und den ökologischen Wandel beschäftigt. Gemeinsam mit 17 Partnerinstitutionen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz forscht die LUFA Speyer in den kommenden drei Jahren an Strategien zur Problembewältigung. Dabei werden praktische Lösungen, die bereits von Landwirten umgesetzt wurden, untersucht und insbesondere ihre Leistung und Übertragbarkeit bewertet. Zudem werden Workshops organisiert, um gemeinsam mit verschiedenen Akteuren neue Fruchtfolgen zu entwickeln, die mit den Klimaveränderungen, so wie sie sich heute bereits darstellen, und den Klimaszenarien in der Zukunft vereinbar sind.
Die LUFA Speyer erprobt im Rahmen des Interreg-Projekts auf dem Rinkenbergerhof innovative Anbausysteme, wie neue Fruchtfolgen zur Verringerung des Bedarfs an mineralischem Stickstoffdünger und die sogenannte Staffelkultur (englisch: relay cropping); dabei handelt es sich um ein Anbausystem, in dem zwei Kulturen zeitversetzt ineinander angebaut werden. Dies ermöglicht unter anderem eine lange Bodenbedeckung, weniger Bodenbearbeitung, eine frühere Ernte der zweiten Kultur und einen geringeren Bewässerungsbedarf. Übergeordnetes Ziel des Forschungsprojekts ist es, regionale Anbausysteme so zu gestalten, dass sie unter veränderten Klimabedingungen stabile Erträge liefern und somit auch zukünftig zur Ernährungssicherung beitragen. Die Arbeiten der LUFA Speyer werden mit über 130.000 Euro von der EU gefördert.
Abb: Feld mit Sojabohnen auf dem Rinkenbergerhof der LUFA Speyer
Seit 120 Jahren gehört die LUFA zum Bezirksverband Pfalz
Wichtige Einrichtung für Landwirtschaft, Umwelt- und Verbraucherschutz
Seit 120 Jahren gehört die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Speyer zum Bezirksverband Pfalz. Im November 1901 beschloss nämlich der Landrath der Pfalz, der Vorläufer des Bezirkstags Pfalz, 1902 die Verantwortung für die 1875 gegründete „Agrikulturchemische Versuchsstation“ zu übernehmen. Seitdem hat sie sich zu einer wichtigen Einrichtung im Bereich der Landwirtschaft sowie des Verbraucher- und Umweltschutzes entwickelt.
In ihren Anfängen stand der Kampf gegen allgegenwärtige Hungersnöte im Vordergrund. Es ging um die Frage, wie man für eine schnell wachsende, zunehmend in Städten lebende Bevölkerung ausreichend Nahrungsmittel produzieren konnte. Die landwirtschaftliche Versuchsstation zeigte den pfälzischen Bauern auf, wie sie mit verbessertem Saatgut, Düngemitteln und qualitativ einwandfreien Futtermitteln ihre Erträge steigern und die Leistung der landwirtschaftlichen Nutztiere verbessern konnten. So richtig wachsen konnte die LUFA aber erst, als ihr der Bezirksverband Pfalz ein neues Laborgebäude in der Oberen Langgasse baute. Dort ist sie nun seit 1915 ansässig und wurde ständig erweitert. Darüber hinaus betreibt die LUFA seit 1958 eine landwirtschaftliche Versuchsstation auf dem 15 Hektar großen Rinkenbergerhof vor den Toren Speyers.
Auch heute tragen die vielfältigen Arbeiten der LUFA zur Sicherung der Lebensmittelerzeugung bei. Anders als zu ihren Anfängen sind jedoch der Verbraucher-, Umwelt- und Ressourcenschutz und die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktion in den Vordergrund gerückt. Für Ministerien und Behörden der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland führt die LUFA im Rahmen von Kontroll- und Monitoringprogrammen Analysen von Saatgut, Düngemitteln, Futtermitteln und Umweltproben durch. Auch gehören regelmäßige Kontrollmessungen von Böden, Futtermitteln und Pflanzen auf Radioaktivität in der Umgebung von Kernkraftwerken dazu. Auf dem Rinkenbergerhof werden unter anderem Versuche im Rahmen der Zulassung neuer Sorten und zur Anpassung von Ackerbausystemen an den Klimawandel und deren Beitrag zum Klimaschutz durchgeführt. Nicht zuletzt unterstützt die LUFA auch landwirtschaftliche Betriebe und andere Privatunternehmen aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor mit einem breiten Analysenangebot und kompetenter Beratung dabei, hochqualitative Lebensmittel und Futtermittel möglichst wirtschaftlich und umweltverträglich zu erzeugen.
Seit ihrer Gründung hat die LUFA acht Wissenschaftlich-technische Direktoren gehabt: Hofrat Prof. Dr. Anton Halenke war von 1875 bis 1912, Prof. Dr. Otto Krug von 1912 bis 1927, Prof. Dr. Max Kling von 1928 bis 1939, Prof. Dr. Otto Engels von 1939 bis 1949, Prof. Dr. habil. Otto Siegel von 1952 bis 1975, Dr. Wolfgang Kampe von 1975 bis zu seinem Tod 1988, Prof. Dr. Rudolf Aldag von 1989 bis 2002 und Prof. Dr. Franz Wiesler von 2002 bis 2022 Direktor. Nun liegt die Verantwortung der LUFA erstmals in weiblicher Hand: Die Lebensmittelchemikerin Dr. Diana Bunzel übernahm im September ihre Leitung. Seit 2002 steht dem Wissenschaftlich-technischen Direktor beziehungsweise nun der Direktorin ein Kaufmännischer Direktor zur Seite, und zwar bis 2016 Volker Weinmann und seit 2017 ist es Jan Jungkind.
Abb: Seit 1915 in der Oberen Langgasse in Speyer angesiedelt: das historische Gebäude der LUFA
Fachgerechte Probenahme und Probenvorbereitung als Voraussetzung für richtige Ergebnisse bei der Untersuchung von Böden
Am 14. September 2019 trat in Rheinland-Pfalz die Landesdüngeverordnung in Kraft. Ziel der Verordnung ist die Reduzierung der landwirtschaftlichen Nährstoffeinträge in Gewässer. Die Verordnung gilt räumlich für die landwirtschaftlich genutzten Flächen über mit Nitrat belasteten Grundwasserkörpern und in den Einzugsbereichen von mit Phosphor eutrophierten stehenden Gewässern. Sie regelt damit die in § 13 der Düngeverordnung für die gefährdeten Gebiete vorgesehenen „besonderen Anforderungen an Genehmigungen und sonstige Anordnungen durch die zuständigen Stellen der Länder“. Die in Rheinland-Pfalz in den mit Nitrat belasteten Gebieten durchzuführenden Maßnahmen beinhalten die Durchführung von Untersuchungen (i) zur Ermittlung des verfügbaren Stickstoffs im Boden sowie (ii) zur Ermittlung des Stickstoff (Gesamt-N, Ammonium-N bzw. pflanzenverfügbarer N) und Gesamt-Phosphat-Gehalts in wirtschaftseigenen Düngern. Hinzu kommen strengere Abstandsregelungen zu Gewässern bei der Düngerausbringung sowie erhöhte Anforderungen an die Aufzeichnungspflichten bei kleineren Betrieben. Im Einzugsgebiet von durch Eutrophierung gefährdeten stehenden Gewässern wurden Begrenzungen bei der P-Düngung auf hochversorgten Böden sowie Sperrfristen für die P-Düngung eingeführt. Die Landesdüngeverordnung ist im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz vom 13. September 2019 veröffentlicht sowie in den „Informationen für Ackerbau und Grünland“ der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum zusammengefasst.
Sowohl die Entnahme von Bodenproben als auch von wirtschaftseigenen Düngern können durch geschulte, bestenfalls zertifizierte, Probenehmer als auch durch den Landwirt selbst erfolgen. Die Qualität der Probenahme beeinflusst das Untersuchungsergebnis deutlich mehr als die Durchführung der chemischen Analyse im Labor. Am Beispiel der Nmin-Bodenuntersuchung werden die Anforderungen an die Probenahme einschließlich der Probenvorbereitung im Folgenden umrissen.
Durchführung der Bodenprobenahme
Der Zeitpunkt der Probenahme für die Nmin-Bodenuntersuchung sollte zeitnah (d.h. möglichst innerhalb von 14 Tagen) zur vorgesehen N-Düngung erfolgen d.h. z.B. bei Wintergetreide deutlich früher als bei Mais. Andernfalls kann es aufgrund zwischenzeitlicher Nitratauswaschung oder N-Mineralisierung zu einer Über- oder Unterbewertung des Vorrats an pflanzenverfügbarem Stickstoff im Boden kommen.
Für die Nmin-Probenahme sind in der Regel 12 – 15 repräsentativ über den Schlag verteilte Einzelprobenahmen durchzuführen. Die Festlegung der Probenahmestellen kann wahlweise gleichmäßig über den Schlag verteilt erfolgen („Quadratverband“) oder entsprechend eines „Zick-Zack-Begangs“. Insbesondere bei schmalen Schlägen kann die Probenahme auch entlang einer „Diagonalen“ durchgeführt werden. Auf sehr großen, einheitlichen Schlägen kann ein Teilstück für die Probenahme ausgewählt werden. Um eine repräsentative Probenahme zu gewährleisten sind untypische Stellen wie Vorgewende, Feldränder, Nassstellen sowie frühere Mieten- oder Dungplätze von der Probenahme auszuschließen.
Die Nmin-Probenahme kann manuell mittels Pürckhauerbohrstöcken oder dreiteiligen Bohrsätzen oder teilmechanisiert mittels Rillenbohrern kombiniert mit elektropneumatischen Schlaghämmern oder Spiralbohrern kombiniert mit Akkuschraubern erfolgen. Professionelle Probenehmer oder Labore führen die Probenahme auch vollmechanisiert durch, wozu verschiedene Geräte wie klassische Nmin-Raupen oder Zwei- und Vierradfahrzeuge mit aufgebauten Bodensonden zur Verfügung stehen. Diese sind allerdings nur auf befahrbaren Schlägen einsetzbar.
Unabhängig von der Gerätetechnik erfolgt die Probenahme für Ackerkulturen nach Düngeverordnung in der Regel aus 0 bis 90 cm Bodentiefe. Lediglich für die Ermittlung des Düngebedarfs von Sommergeste, Hafer und Kartoffeln empfiehlt das Land Rhein-Land-Pfalz eine Probenahmetiefe von 0 bis 60 cm, ebenfalls abweichende Probenahmetiefen gelten für die verschiedenen Gemüsekulturen. Bei der Probenahme werden die Schichten 0-30 cm, 30-60 cm und ggf. 60-90 cm in getrennten Behältnissen gesammelt und nach Beendigung der Probenahme jeweils gut durchmischt. Für die Einsendung ins Labor kann pro Schicht eine repräsentative Unterprobe von mindestens 500 g Boden entnommen und in Plastiktüten abgepackt werden. Die Tüten müssen beschriftet und die Proben mit einem Probenbegleitblatt versehen werden, das mindestens Informationen über Betrieb, Schlagnummer, Probennummer und Bodenschicht enthält. Viele Bodenuntersuchungslabore stellen Probenbegleitblätter („Auftragsformulare“) im Internet zur Verfügung. Für Bodenproben im Rahmen der Landesdüngeverordnung ist ein spezifisches Nmin-Probenbegleitblatt des DLR zu verwenden. Eine Eingabemöglichkeit über das Digitale Agrarportal Rheinland-Pfalz (https://geoservice.service24.rlp.de/GBV-RLP/) wird derzeit von der Agrarverwaltung in Rheinland-Pfalz vorbereitet.
Unbedingte Voraussetzung für die korrekte Ermittlung des Nmin-Vorrats im Boden ist, dass die Bodenproben unmittelbar nach der Probenahme bis zur Analyse in einer geschlossenen Kühlkette bei max. + 4 °C aufbewahrt werden. Andernfalls findet in den durch die Probenahme und Vermischung „gestörten“ Bodenproben ein N-Mineralisierungsschub statt, was zu erhöhten Nmin-Gehalten in den Proben und damit einer Unterschätzung des N-Düngebedarfs führen würde. Die Aufbewahrung und Versendung der Proben kann in vorgekühlten und mit einer ausreichenden Zahl an Kühlakkus versehenen Kühlboxen erfolgen. Ist ein sofortiger Versand bzw. eine sofortige Abholung der Proben nicht möglich, können diese bis maximal 3 Tagen im Kühlschrank bei max. + 4 °C zwischengelagert werden. Bei längeren Aufbewahrungszeiten müssen die Proben tiefgefroren werden.
Zur Vermeidung von Fehlern bei der Probenahme und Probenvorbereitung von Böden bietet die LUFA Speyer in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Probenehmerschulungen an:
- Mittwoch, 22. Januar 2020 (Raum Bitburg): Beginn 10 Uhr
- Donnerstag, 30. Januar 2020 (Speyer): Beginn 11 Uhr.
Interessenten melden sich bitte formlos per E-Mail an bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Bild: Versuchsfeld Speyer Rinkenbergerhof
Anforderungen an die landwirtschaftliche Forschung und das landwirtschaftliche Untersuchungswesen im Wandel der Zeit
Anforderungen an die landwirtschaftliche Forschung und das landwirtschaftliche Untersuchungswesen im Wandel der Zeit
Franz Wiesler, Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Speyer, Obere Langgasse 40, 67346 Speyer
Einleitung
Der Ausbruch des Vulkans Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa führte vor 200 Jahren zu dramatischen globalen Klimaveränderungen, so zu einem „Jahr ohne Sommer“ (1816) und in der Folge zu weltweiten Missernten und Hungersnöten (z. B. Behringer, 2015). Diese waren eine der Triebfedern für vielfältige Bestrebungen, die Erzeugung von Nahrungsmitteln durch Förderung des Versuchswesens sowie verbesserte Ausbildung und Beratung der Landwirte zu erhöhen. Beispiele hierfür sind die Gründung des landwirtschaftlichen Hauptfestes auf dem Cannstatter Wasen im Jahre 1818 und die Gründung einer Landwirtschaftlichen Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt in Hohenheim im gleichen Jahr.
Fortschritte in der Pflanzenernährung und Düngung als wichtiger Baustein für Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft
Verbunden mit der Nutzbarmachung der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung für die landwirtschaftliche Praxis gelang es dann im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Erträge in der Pflanzenproduktion kontinuierlich zu steigern. Ähnliche Erfolge wurden durch die „grüne Revolution“ noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in anderen Regionen der Welt erzielt. Die wichtigsten Bausteine dieser Ertragssteigerungen waren die Verbesserung der Anbausysteme, Bodenmeliorationen, bessere Saatgutqualitäten, Züchtung von Hochertragssorten, Mechanisierung, wirksamerer Pflanzenschutz und insbesondere die verstärkte Mineraldüngung (Tabelle 1).
Jahr | Mineraldüngeraufwand (kg ha-1) |
Kornertrag (dt ha-1) |
||
N | P2O5 | K2O | ||
1878/80 | 1 | 2 | 1 | 12 |
1900/04 | 3 | 9 | 4 | 18 |
1920/24 | 8 | 8 | 23 | 16 |
1930/34 | 13 | 15 | 23 | 20 |
1950/51 | 27 | 24 | 50 | 25 |
1960/61 | 42 | 43 | 74 | 32 |
1970/71 | 83 | 66 | 91 | 40 |
1980/81 | 124 | 67 | 91 | 50 |
1993/94 | 93 | 24 | 37 | 62 |
2000/01 | 108 | 21 | 32 | 76 |
2010/11 | 107 | 17 | 26 | 72 |
2014/15 | 109 | 18 | 27 | 83 |
Tabelle 1:
Mineraldüngeraufwand und durchschnittlicher Kornertrag von Weizen in Deutschland seit 1878 [Statistisches Bundesamt (2015) und andere Quellen]
Der wachsenden Bedeutung von Düngern als externe Betriebsmittel für die Landwirtschaft trug der Gesetzgeber vor 100 Jahren in Deutschland durch die „Bekanntmachung über künstliche Düngemittel“ im Reichs-Gesetzblatt vom 12. Januar 1916 Rechnung. Dieser Bekanntmachung folgte am 3. August 1918 die „Verordnung über künstliche Düngemittel“. Sie wurde im Laufe der Zeit mehrfach geändert und durch weitere Regelwerke ergänzt. Heute stehen neben dem Düngegesetz die Düngemittelverordnung und die Düngeverordnung im Zentrum der einschlägigen gesetzlichen Regelungen, die Düngeverordnung auch des öffentlichen Interesses. Das Dünge- und Düngemittelrecht spiegeln neben Anforderungen durch die Landwirtschaft und die Gesamtgesellschaft auch den Fortschritt in der landwirtschaftlichen Forschung und im Untersuchungswesen wider. Die Übersichten 1 und 2 geben einen Überblick über Fortschritte in der Pflanzenernährung und Düngung sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch der angewandten Forschung seit dem 19. Jahrhundert.
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Übersicht 1: Beispiele für Fortschritte in Pflanzenernährung und Düngung – Grundlagen
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Übersicht 2: Beispiele für Fortschritte in Pflanzenernährung und Düngung – angewandte Aspekte
Abbildung 1: Darstellung der Ergebnisse von Düngungsversuchen der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Darmstadt, Prof. Dr. Paul Wagner
Die Bearbeitung angewandter Aspekte der Pflanzenernährung war seit ihrer Gründung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Schwerpunkt der Arbeit der Landwirtschaftlichen Versuchsstationen in Deutschland. Ein Beispiel sind die auch in ihrer Darstellung sehr beeindruckenden Düngungsversuche von Prof. Paul Wagner an der damaligen Landwirtschaftlichen Versuchsstation Darmstadt (Abbildung 1). Im Untersuchungswesen spielte, zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Analytik von Düngemitteln die dominierende Rolle. Wie die Jahresberichte der Landwirtschaftlichen Kreisversuchsstation Speyer zeigen, war die ermittelte Variation der Qualitäten, z. B. die Streuung der wasserlöslichen P-Gehalte in Superphosphat (1,9 bis 20,4 %) noch weit von den heute als selbstverständlich angesehenen Qualitätsstandards entfernt (Abbildung 2). Im Verlauf der 1930er Jahre wurden dann die Bodenuntersuchungen, insbesondere im Hinblick auf die Bodenreaktion, immer wichtiger. Deren verstärkte Untersuchung wurde insbesondere durch Diskussionen um die versauernde Wirkung der Stickstoffmineraldünger ausgelöst (siehe z.B. Uekötter, 2010). Nicht zuletzt war es ein Anliegen der Versuchsstationen, durch die Untersuchung landwirtschaftlicher Betriebsmittel den Landwirt vor Betrug zu schützen. Die Berechtigung dieses Anliegens zeigt sehr eindrucksvoll das Beispiel der Untersuchung eines „Universaldüngers“ durch die Landwirtschaftliche Kreisversuchsstation Speyer im Jahre 1914 (Abbildung 3).
Abbildung 2: Untersuchungsschwerpunkte der landwirtschaftlichen Kreisversuchsstation Speyer in den Jahren 1900 und 1938 [Jahresberichte 1900 und 1938]
Abbildung 3: Untersuchung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln zum
Schutz der Landwirte vor Betrug [Bericht über die Tätigkeit der Landwirtschaftlichen Kreisversuchsstation Speyer für das Jahr 1914]
Insgesamt steht die Einführung moderner Düngemittel in Zusammenhang mit beeindruckenden Ertragssteigerungen im 19. Jahrhundert, ohne die die Ernährung der Weltbevölkerung heute nicht mehr gewährleistet wäre. Allein das Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von N-Düngern (1913) gewährleistet heute nach einer Studie von Erisman et al. (2008) die Ernährung von fast der Hälfte der Weltbevölkerung. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass insbesondere in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, die immer noch durch ein häufig sehr knappes Nahrungsmittelangebot gekennzeichnet sind, auch heute noch erhebliche Potentiale zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion durch den Einsatz von Düngern bestehen.
Düngemittel - vom Werkezeug gegen den Hunger zum wichtigsten Verursacher von Umweltschäden durch die Landwirtschaft?
Ungeachtet der erzielten großen Erfolge im Hinblick auf Produktivitätssteigerungen der Landwirtschaft steht die Düngung in den industrialisierten Ländern seit den 1970er Jahren aufgrund von Nährstoffüberschüssen und dadurch verursachten Umweltwirkungen zunehmend in der Kritik von Umweltwissenschaften Umweltpolitik und Umweltbehörden (z. B. Umweltbundesamt, 2014, 2015; Sachverständigenrat für Umweltfragen, 2015) sowie der Presse und Öffentlichkeit (z.B. Süddeutsche Zeitung, 2014). Nährstoffüberschüsse können zu einer Nährstoffakkumulation im Boden, Verschwendung von knappen Ressourcen (P), Nährstoffeinträgen in das Grundwasser (Nitrat), Fließgewässer (Nitrat, Phosphat), Seen, Küstengewässer und Meere (Nitrat, Phosphat) sowie Nährstoffeinträge in die Atmosphäre (Ammoniak, Lachgas) führen.
Der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat in seinem jüngsten Standpunkt den Mineralstoffbedarf der deutschen Pflanzenproduktion im Vergleich zum Mineralstoffanfall mit organischen Düngern und organischen Reststoffen untersucht (Wissenschaftlicher Beirat für Düngungsfragen, 2016). Tabelle 2 zeigt, dass allein mit organischen Düngern und organischen Reststoffen im nationalen Maßstab eine sehr hohe Mineralstoffzufuhr erfolgt, die rechnerisch 91 % des Stickstoff-, 71 % des Phosphor- und 76 % des Kalium-Bedarfs entspricht. Berücksichtigt man zusätzlich die Nährstofflieferung mit Mineraldüngern, ergibt sich für Stickstoff insgesamt ein sehr deutlicher Überschuss, der im Durchschnitt ca. 94 kg N je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche entspricht. Für Phosphor und Kalium lässt sich dagegen jeweils ein moderates Defizit berechnen. Dabei bestehen allerdings sehr große regionale Unterschiede, z. B. zwischen Regionen mit intensiver Tierhaltung und Regionen mit vorwiegend Ackerbau (z. B. Landwirtschaftskammer Niedersachsen, 2015; Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, 2014). Da Deutschland im Zusammenhang mit Nährstoffüberschüssen verschiedene Umweltziele, wie sie in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, der EU-Nitrat-Richtlinie, der EU-Wasser-Rahmenrichtlinie, der EU-NEC-Richtlinie und der EU-Meeresstrategie-Richtlinie formuliert sind, verfehlt, werden positive Aspekte der Düngung heute von der Öffentlichkeit weit weniger wahrgenommen als ungünstige Umwelteffekte.
N | P [1000 t] |
K | |
Bedarf | 2833 | 533 | 2888 |
Anfall mit org. Reststoffen | 2576 | 380 | 2197 |
% des Bedarfs (rechnerisch) | 91 | 71 | 76 |
Anfall org. Reststoffe - Bedarf | -257 | -153 | -691 |
Lieferung Mineraldünger | 1823 | 131 | 381 |
Saldo | +1566 | -22 | -310 |
Tabelle 2: Mineralstoffbedarf der deutschen Landwirtschaft im Vergleich zum Mineralstoffanfall mit organischen Düngern und organischen Reststoffen sowie der Mineralstofflieferung mit Mineraldüngern [Standpunkt des Wissenschaftlichen Beirats für Düngungsfragen, 2016; Statistisches Bundesamt, 2015]
Die Lösung der umrissenen Zielkonflikte zwischen landwirtschaftlicher Produktion sowie Umwelt- und Ressourcenschutz wird noch dadurch erschwert, dass die landwirtschaftliche Forschung seit den 1990er Jahren sehr starken Veränderungen unterworfen ist (Übersicht 3). Diese Veränderungen führten dazu, dass heute ein erhebliches Defizit in der angewandten Agrarforschung besteht, unter dem nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Entwicklung umweltverträglicher Produktionssysteme sowie der vorbeugende Verbraucherschutz leiden.
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Übersicht 3: Die Situation der Agrarforschung seit den 1990er Jahren
Aktuelle Herausforderungen für die landwirtschaftliche Forschung
Es ist unschwer vorherzusagen, dass die öffentlich finanzierte landwirtschaftliche Forschung und auch das Untersuchungswesen in Zukunft noch stärker gesamtgesellschaftliche Interessen, insbesondere im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes, berücksichtigen müssen, um weiterhin gesellschaftliche Akzeptanz zu behalten bzw. wiederzugewinnen.
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Übersicht 4: Beispiele für aktuelle Herausforderungen für die angewandte landwirtschaftliche Forschung und das landwirtschaftliche Untersuchungswesen
Beispiele für aktuelle Herausforderungen für die angewandte landwirtschaftliche Forschung, die diesen Gesichtspunkten Rechnung tragen, sind in Übersicht 4 zusammengefasst. Neben spezifischen aktuellen Fragestellungen wie z.B. der Entwicklung von Schnellmethoden zur Bestimmung der Nährstoffgehalte in organischen Düngern als Voraussetzung für deren Verbringung und stärkere Nutzung in Ackerbauregionen oder der Verbesserung der Bewertung der Löslichkeit und Pflanzenverfügbarkeit von Nährstoffen in Recyclingdüngern sollte die angewandte landwirtschaftliche Forschung in Zukunft viel stärker systemare Ansätze verfolgen, um nachhaltige Agrarproduktionssysteme zu etablieren (Taube, 2013). Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung integrierter N-Managementsysteme im Gemüsebau (Wiesler et al., 2008; Armbruster et al., 2013). In langjährigen Feldversuchen konnte, aufbauend auf einer Schwachstellenanalyse, gezeigt werden, dass durch die Kombination verschiedener Maßnahmen wie treffsichere Ermittlung des N-Düngebedarfs, Optimierung von Fruchtfolgen und einem besseren Management der Ernterückstände die Stickstoffbilanzüberschüsse und die Nitratauswaschung auch in für Stickstoffausträge sehr risikobehafteten Produktionssystemen erheblich vermindert werden können. Ergänzende Modellrechnungen ergaben, dass die großflächige Umsetzung entsprechender Ansätze in Regionen mit hoher Nitratbelastung des Grundwassers zu einer Trendumkehr in der Gewässerqualität führen würde (Tabelle 3).
Szenarium | Potentielle Nitratkonzentration im Sickerwasser [mg L-1] |
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ohne Denitrifikation | 50 %Denitrifikation | |
Düngung nach Faustzahlen | 336 | 168 |
Düngung nach N-Expert | 160 | 80 |
Düngung nach N-Expert Abfuhr Ernterückstände (20 %) |
142 | 71 |
Düngung nach N-Expert Anbau einer Zwischenfrucht (20 %) |
145 | 73 |
Düngung nach N-Expert Anbau einer Zwischenfrucht (20 %) und Abfuhr d. Zwischenfruchtbiomasse |
123 | 62 |
Tabelle 3: Geschätzte Nitratkonzentration im Sickerwasser der Gemüseanbauflächen der Pfalz bei unterschiedlichem N-Management [nach Armbruster et al., 2010]
Fazit
Die landwirtschaftliche Forschung und das landwirtschaftliche Untersuchungswesen waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts maßgeblich an den Produktivitätssteigerungen der Landwirtschaft beteiligt, ohne die eine ausreichende Nahrungsmittelbereitstellung für die immer noch wachsende Weltbevölkerung undenkbar wäre. Seit den 1970ere Jahren rückten jedoch neben der Futter- und Nahrungsmittelbereitstellung Umweltwirkungen der Landwirtschaft zunehmend in das Blickfeld von Politik und Öffentlichkeit. Dem trug die landwirtschaftliche Forschung zwar durch neue Schwerpunktsetzungen wie der Ermittlung der Grundlagen für die Verbesserung der Nährstoffeffizienz Rechnung, erhebliche Defizite bestehen jedoch immer noch in der Entwicklung integrierter Nährstoffmanagementsysteme und insbesondere auch in der Umsetzung des vorhandenen Wissens in Beratung und Praxis. Die Akzeptanz eines öffentlich finanzierten landwirtschaftlichen Versuchswesens wird maßgeblich davon abhängen, ob dieses gesamtgesellschaftliche Interessen berücksichtigt und ob Erkenntnisfortschritte Eingang in die landwirtschaftliche Praxis finden.
Literatur
Armbruster, M., Laun. N., Wiesler, F., 2010: Modellrechnungen zur Extrapolation des Einflusses von Maßnahmen zur Verringerung der Nitratauswaschung in das Grundwasser im Gemüsebau der Vorderpfalz. VDLUFA Schriftenreihe 66, Kongressband 2010, 276-286.
Armbruster, M., Heger, A., Laun. N., Wiesler, F., 2013: Integriertes Stickstoff-Managementsystem als Maßnahme zur Verbesserung der N-Effizienz in der Pflanzenproduktion – dargestellt am Beispiel Gemüsebau. VDLUFA Schriftenreihe 69, Kongressband 2013, 182-191.
Behringer, W., 2015: Tambora und das Jahr ohne Sommer – wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte. Verlag C.H.Beck oHG, München, 3. Auflage, 398 S.
Erisman, J. W., Sutton, M. A., Galloway, J., Klimont, Z., Winiwarter, W., 2008: How a century of ammonia synthesis changed the world. Nature Geoscience 1, 636 – 639.
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, 2015: Nährstoffbericht in Bezug auf Wirtschaftsdünger für Niedersachsen 2013/2014. Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Oldenburg, 209 S.
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, 2014: Nährstoffbericht 2014 über Wirtschaftsdünger und andere organische Düngemittel für Nordrhein-Westfalen. Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Münster, 156 S.
Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), 2015: Stickstoff – Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem. Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für Umweltfragen, Berlin, 560 S.
Statistisches Bundesamt, 2015: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster-Hiltrup, 588 S.
Süddeutsche Zeitung, 2014: Die Erde erstickt - Sauerstoffmangel in Nord- und Ostsee, belastetes Grundwasser, gefährdete Biodiversität: Der Stickstoffüberschuss aus der Landwirtschaft ist ein verdrängtes Umweltthema. Ausgabe 01.03.2014.
Taube, F., 2013: Die Bedeutung der angewandten Systemforschung im Agrarbereich, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Schriftenreihe 4/2013, S. 23-36
Uekötter, F., 2010: die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen, 524 S.
Umweltbundesamt (UBA), 2014: Reaktiver Stickstoff in Deutschland – Ursachen, Wirkungen, Maßnahmen. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 56 S.
Umweltbundesamt (UBA), 2015: Umwelt- belastende Stoffeinträge aus der Landwirtschaft. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 32 S.
Wiesler, F.; Laun, N.; Armbruster, M., 2008: Integriertes Stickstoffmanagement – eine Strategie zur wirksamen Verringerung der Gewässerbelastung im Gemüsebau: Agrarspectrum 41, 95 - 108.
Wissenschaftlicher Beirat für Düngungsfragen beim BMEL, 2016: „Anwendung von organischen Düngern und organischen Reststoffen in der Landwirtschaft“. Berichte über Landwirtschaft, Band 94, Heft 1, Bonn, 26 S.